Seit über 15 Jahren macht ADAPT Copywriting, Transcreation und Corporate Publishing für die ganze Welt. Und in 15 Jahren macht man viele Fehler. Aus einigen lernt man sogar. Zeit, die Fallstricke mehrsprachigen Marketing-Contents genauer zu betrachten. Hören wir jemand sagen: “Ich will keine Problembeschreibung, ich will Lösungen.”? Nachvollziehbar, aber das Problem an dieser Forderung lässt sich wie folgt beschreiben:

 

1)  Es werden Lösungen für nicht näher definierte Probleme
    entwickelt.

2)  Diese Lösungen können selber zum Problem werden.

 

Womit wir bei unserem ersten Thema wären:

 

Was, wenn die Lösung das Problem ist?

Die Produktion, Übersetzung, Transkreation, Bearbeitung und Verwaltung von mehrsprachigem Marketing-Content für verschieden Ausgabeformate ist komplex. Entsprechend nutzen Unternehmen komplizierte (und teilweise sehr teure und aufwendig zu implementierende) Software-Lösungen, um Prozess-Effizienz und -Kontrolle zu steigern.

 

Konkret geht es um „medien-neutrale, mehrsprachige Content-Management- und Produktionsplattformen“ und eine Reihe weiterer Software-Werkzeuge wie Website-Content-Management-Systeme, Product-Information-Management-Systeme (PIMS) und Computer-Aided-Translation-Tools wie z.B. SDL Trados, Across, etc.

 

Diese Produktionsplattformen, Systeme und Werkzeuge sind in einigen Fällen verzichtbar oder verursachen mehr Probleme, als sie lösen.

 

Allen ist gemein, dass die Effizienzsteigerung geringer ausfällt als versprochen und zu Lasten der Flexibilität des Prozesses und der Qualität des Content geht.

 

Wenn Software-Tools den Arbeitsprozess und die Qualität des Produktes bestimmen statt diesen zu dienen, ist es an der Zeit ihren Einsatz zu hinterfragen. Zumindest aber sollte man sich bewusst sein, welche Auswirkungen auf Effizienz und Produktqualität die eingesetzten Werkzeuge tatsächlich haben und welchen Aufwand sie verursachen. Ein Produktionsprozess ohne eine übergeordnete administrative „Lösung“ kann oft sinnvoller, effizienter und flexibler sein.


Mehr Effizienz macht mehr Arbeit.

“The divison of labour in pin manufacturing: (and the great increase in the quantity of work that results)”

 

Der große Wirtschafts- und Sozialphilosoph Adam Smith war eigentlich überzeugt, dass die Arbeitsteilung zu größerer Produktivität führt, also die Effizienz steigert. Die Bank of England dagegen zitiert auf der 20-Pfund-Note eine Zusammenfassung seiner Aussagen, die eher zu sagen scheint, dass Arbeitsteilung viel Arbeit macht. Und bei allem Respekt für Adam Smith: unsere Erfahrung mit Online-Produktionsplattformen und Software-Werkzeugen gibt der Bank of England Recht.

 

Wie jede Software und (fast) jedes Management-System erfordern auch diese Systeme und Tools eine Standardisierung von Prozessen und eine Aufspaltung der Prozesse in kleine Einheiten. Die vielbeschworene Digitalisierung von Arbeitsprozessen – die in der Medien-, Marketing- und Werbebranche weiter fortgeschritten ist als in der fertigenden Industrie -  ist also im Grunde nichts anderes, als die schon von Adam Smith in „The Wealth of Nations“ beschriebene „Arbeitsteilung“ bzw. die Übertragung der Fließbandfertigung auf nicht fertigende Arbeitsprozesse.

 

Interessanterweise wird dieses Prinzip unwillkürlich durch den Sprachgebrauch von z.B. CAT-Tools und einigen Online-Produktionsplattformen widergespiegelt, denn dort werden Texte nicht als semantische Einheiten begriffen, sondern in „Segmente“, „Units“ oder „Fragments“ zerlegt. 

 

Wenn Inhalte für Marketing-Zwecke nutzbar werden sollen, gibt es drei grundlegende Aufgaben:

1) Bereitstellung, 2) Bearbeitung und 3) Verwaltung

Bereitstellung

Vom medien-neutralen Inhalt zum zusammenhangslosem Inhalt.

 

Die Bereitstellung von Inhalten zur Bearbeitung oder Verwendung soll– so wird es seit geraumer Zeit propagiert – „medienneutral“ erfolgen. Auf diese Art kann der Inhalt – gleich einer Flüssigkeit, deren Form durch ihr Gefäß bestimmt wird – in beliebige Medien einfließen bzw. bearbeitet werden.

 

Ein Unicode-Text kann selbstverständlich für eine Website und in einem Indesign-Dokument verwendet werden. Das ist zwar richtig, aber auch banal und wird nicht erst durch die Verwendung aufwendiger „Publishing Solutions“ möglich. Texte – welche wiederholt in verschiedenen Medien verwendet werden – sollen gewissermaßen in einem großen Fass oder Content-Pool aufbewahrt werden und je nach Ausgabemedium braucht nur ein bestimmter Hahn geöffnet werden, um sie zu nutzen. Dies hat aber u.a. hat erhebliche Auswirkungen auf die Übersetzung.

 

Text braucht Kontext.

 

1.      Es liegt der Natur dieser Content-Pool-Texte, dass sie keinen Kontext liefern, da sie ja eben unabhängig von einem konkreten Medium verwendet werden sollen. Es ist aber so, dass die Interpretation eines Textes in erheblichem Maße vom Kontext abhängig ist und eine sinnvolle Übersetzung manchmal ohne diesen Kontext nicht möglich ist.

 

2.     Texte in solchen Content-Pools wurden nicht immer originär für dafür geschrieben. Eine Produktbeschreibung z.B. bezieht sich oft auf eine Produktabbildung. Wird diese Produktabbildung beim Export der Texte für die Übersetzung nicht mitgeliefert wird der Text oft unverständlich. (Versuchen Sie einmal, einen komplexen Gegenstand so zu beschreiben, dass es für jemanden, dem das Objekt nicht vorliegt verständlich wird. Sie müssen ganz anders formulieren wenn die visuelle Information nicht vorhanden ist.  In der Praxis ist es aber oft unmöglich herauszufinden, wie der visuelle Bezug ursprünglich ausgesehen hat, insbesondere, da Texte in PIMS (Product Information Management Systemen) oder „Content-Pools“ oft aus einer Vielzahl von Quellen gespeist werden.

 

3.      Ähnliches gilt z.B. für die Differenzierung der Textart bzw. die Position im Layout. Ein und derselbe Satz kann und muss abhängig davon ob es sich um eine Bildunterschrift oder eine Fußnote handelt verschieden übersetzt werden, aber auch hierzu findet sich keine Information. Die Position eines Textes im Seitenlayout oder (bei gedruckten Texten) innerhalb des z.B. Kataloges kann ebenfalls relevant für die Interpretation sein. Manche Systeme exportieren Texte in einer Reihenfolge die vom Inhalt vollkommen losgelöst ist, so dass es manchmal unmöglich ist zu entscheiden, ob ein Satz inhaltlich eine Verbindung zu seinem Vorgänger oder zum nachfolgenden Satz hat.

 

4.      Aus effizienzgründen werden in Überarbeitungsphasen nur die Texte exportiert, die sich geändert haben – das bewirkt, das Texte zusätzlich zu fehlender visueller Information und ohne sinnvolle Reihenfolge auch noch große Lücken aufweisen können.

 

Wenn alle diese Faktoren zusammenkommen – und das passiert! – ist eine sinnvolle Interpretation nahezu unmöglich und eine Übersetzung gleicht einem Blindflug.

 

Interessanterweise sind es gerade die besonders komplexen und teuren Produktionsplattformen bei denen die fehlende visuellen Informationen, bzw. der Gesamttext nicht zur Verfügung gestellt wird, obwohl  eine Verlinkung (z.B. zu einem PDF oder einer Webpage, technisch möglich ist.  Aber das gehört zum Thema „Verwaltung“ und wird später besprochen – wir sind mit dem Thema „Kontextloser Content“ noch nicht fertig.

 

...to be continued